Das Öl–Dilemma und was die Förderkürzung wirklich wert ist

Der Rohstoffmarkt schlug die letzten Tage medial hohe Wellen: Die OPEC beschließt eine Erdölförderungskürzung und auch einige Nicht-OPEC-Staaten verpflichten sich zu einer Reduktion der Förderung. Der Ölpreis explodierte daraufhin und das wäre so auch rational begründbar, denn wenn man die aktuell prognostizierte Nachfrage und das nun theoretisch reduzierte Angebot gegenüberstellt, dürften bereits im Frühjahr nächsten Jahres deutlich bemerkbare Lagerbestandsrückgänge feststellbar sein. Dass das Erdölangebot tatsächlich so zurückschreitet, wie es aktuell an den Finanzmärkten eingepreist wird, scheint aus mehreren Gründen äußerst unwahrscheinlich. Zum einen befindet sich der Markt mit dieser Abmachung nicht in einem sogenannten volkswirtschaftlich stabilen Nash-Gleichgewicht, denn jeder einzelne Vertragspartner hat einen Anreiz von der Abmachung abzuweichen (negativ inverse Anreizkompatibilität durch Nicht-Kooperation) und sich in diesem Falle nicht an der Förderreduktion zu beteiligen. Und genau das ist die Crux der aktuellen Abmachung: Es bestehen (noch) keine Strafen auf eine mögliche Nichteinhaltung des gemeinsamen Beschlusses. Man könnte auch sagen, das "System-Commitment" des Einzelnen ist schwach bis wenig ausgeprägt. Die Ironie der Geschichte ist, dass genau jenes Land, welches sich mit am couragiertesten für die Förderkürzung eingesetzt hat, den größten Anreiz besitzt, sich nicht daran zu halten: Saudi-Arabien. Die Wirtschaft krankt, die (Jugend-)Arbeitslosigkeit steigt rasant, die Armut nimmt drastisch zu und das zukünftige Potential, da ist man sich am Golf ebenfalls weitestgehend einig, ist abgesehen vom schwarzen Gold, begrenzt.
Saudi-Arabien hat den wohl größten Hebel in der Hand, wenn es um globale Ölreserven und Produktion geht. Solange der Ölpreis über 50$ pro Barrel liegt, kann der Golfstaat seinen derzeitigen Staatshaushalt abdecken. Preise unter 40$ sind unter der Bedingung der theoretisch abgemachten Förderkürzung nicht ausreichend um den Staat vor einem weiteren Abschwung - die größte Sorge in Saudi-Arabien - zu bewahren.

Zum anderen regt der gestiegene Ölpreis die industrielle Produktion an. Fracking wird rentabler und durch geringe Fixkosten ("SharingPrinciple" & Niedrigzinsumfeld) sind vor allem US-Fracking-Unternehmen, wie beispielsweise Chesapeake und Halliburton, äußerst variabel und flexibel, was die Produktion angeht. Die USA wäre hier ein potentieller Kandidat, der die Märkte bei
höheren Ölpreisen mit massigen Schieferölschwämmen überfluten und somit die Preise wiederum drücken könnte. Man sollte darüber hinaus auch nicht übersehen, dass die Vereinigten Staaten, welche sich in den letzten Jahren durch die Fracking-Technologie im Mineralölbereich zu einem Global Player aufgeschwungen haben, jener Förderkürzung nicht zugestimmt haben. Zudem sind die konventionellen Explorationsunternehmen (Transocean, Seadrill, & Co.) durch den aktuellen Preisdruck äußerst effizient geworden, was die kostengünstige Exploration angeht, sowohl on- als auch off-shore. Höhere Preise führen also auch hier zu einem Anstieg der Bohrmengen.
Nicht nur Förderer haben sich als Folge des zuletzt tief gefallenen Ölpreises an die neuen Bedingungen angepasst und massiv den Rotstift angesetzt. Der Ölriese Royal Dutch Shell beispielsweise, hat ebenfalls bewiesen, dass deutliche Einsparungspotentiale bei der Wertschöpfungskette sowohl im Up- als auch im Downstream-Bereich vorhanden sind.
Zum anderen regt der gestiegene Ölpreis die industrielle Produktion an. Fracking wird rentabler und durch geringe Fixkosten ("SharingPrinciple" & Niedrigzinsumfeld) sind vor allem US-Fracking-Unternehmen, wie beispielsweise Chesapeake und Halliburton, äußerst variabel und flexibel, was die Produktion angeht.
Ein Ölpreis ab 40$ je Barrel führt (nach aktuellen Einschätzungen) zu operativ schwarzen Zahlen - vor einem Jahr lagen die Break-Even-Kosten bei ca. 60$


Wie man zwischen den Zeilen lesen kann, befindet sich der Ölpreis in einem Dilemma: Steigt der Ölpreis, wird es attraktiv zu fördern. Das steigende Angebot führt zu fallenden Preise. Jene führen wiederum dazu, dass einige von Öleinnahmen abhängige Staaten den Preisabschlag mit Mengenausgleich kompensieren müssen um ihren Staatshaushalt finanzieren zu können bzw. ihn ansatzweise zu decken.
Andererseits muss man jedoch anerkennen, dass es gelungen ist theoretisch globale Einigung unter mehreren individuellen Interessen zu erzielen. Dieser prinzipielle Annäherungswille wurde ebenfalls an den Märkten mit Euphorie und Preisaufschlägen honoriert. Der sich hartnäckig haltende Vorwurf an SaudiArabien, man hielte den Preis absichtlich tief um schwächere Produzenten aus dem Markt zu eliminieren und nehme dafür sogar einen eigenen Verlust in Kauf, konnte so etwas entkräftet werden. Nichtsdestotrotz könnte eine Einhaltung der Förderkürzung dennoch durch die Einflussnahme von Fracking und Co. zur Angebotssteigerung führen - das aktuelle Öl-Paradoxon. Die Zeiten, in denen die OPEC die Ölpreise nach Belieben steuern konnte, sind vorerst vorbei. Es bleibt abzuwarten ob der aktuelle Peak von Dauer ist, denn die Märkte lassen sich zwar kurzfristig aber niemals auf lange Sicht täuschen (Grundannahme der Markteffizienz). Nachfragetechnisch ist der Ölpreis gut vorhersagbar, die globale Nachfrage unterliegt kaum großen Schwankungen. Der Bedarf wird die nächsten Jahre weiterhin kontinuierlich steigen, da ein konstanter Nachfrageanstieg für die nächsten Jahre prognostiziert wird. Wer Spannung will, der setzt sich besser mit der Angebotssituation des Öls auseinander, denn für ausreichend Diskussionsstoff dürfte hier für die nächste Zeit mit ziemlicher Sicherheit gesorgt sein.